Ein Konzert aus journalistischen Gründen zu fotografieren ist meist eine Angelegenheit, welche recht durchgeplant passiert. Mit festgelegten Zeiten ( meist die ersten drei Lieder ) und festgelegten Positionen ( Bühnengraben oder Mischpult ).
Daher ist es für uns Konzertfotografen immer spannend diese Regeln nicht beachten zu müssen. Und dass kennen die meisten von uns, wenn wir für Bands arbeiten. Da ist es, natürlich je nach Produktion, möglich die gesamte Show aus allen Blickwinkeln festzuhalten. Was natürlich auch die Bühne selbst bedeutet. Quasi der „heilige Gral“, wenn die Band dem Fotografen dann dort auch noch völlig freie Hand lässt. Dies beruht aber auf einem Vertrauen, welches der Fotograf sich zumeist von der Band erarbeiten musste. So ist die Bühne doch ein sehr sensibler Bereich, wo man den Auftritt der Band stören könnte. Und das will dann doch wirklich niemand.
Was eine Herausforderung an uns Fotografen ist, wenn wir diesen Bereich betreten müssen, weil wir dafür von einer anderen Stelle gebucht sind. Als häufigstes Beispiel ist da unser Job als Fotograf für ein Festival genannt. Dort ist dann der Tourmanager der Band die Person, welche uns das Vertrauen schenkt. Und auch dort darf nichts schief laufen, denn da sind wir nicht nur in der Pflicht unseren Job richtig zu machen, sondern auch unserem Auftraggeber einen „bösen Brief“ des Tourmanagers zu ersparen.
Aber da gibts es noch ein weiteres Szenario…
Ich wurde von dem deutschen Label der Band „Welshly Arms“ gebucht, den Tag und den Auftritt der Band bei Rock am Ring 2017 fotografisch zu begleiten. Die Band war damals noch im kommen und hatten ihren großen Hit „Legendary“ im Radio. Und der Auftritt bei dem Festival war mit das erste große Konzert für sie in Deutschland.
Hier stand ich nun in der Situation, eine mir unbekannte Band, in einer für sie sehr aufregenden Situation zu begleiten.
Am frühen Mittag traf ich mich dann mit jemand vom Label und dem Tourmanager der Band um letzte Details zu besprechen und meinen Pass für den Tag zu holen. Dann ging es direkt zu Band, um sich etwas kennen zu lernen. Zu meinem Glück, waren alle Bandmitglieder super nett und Star-Allüren nicht im geringsten zu erkennen. Was den ganzen Tag sehr beruhigend beginnen lies. Es war noch ein wenig Zeit bis zum Auftritt, also starteten wir mit einem Gruppenfoto und Einzelbildern der Band, was auf jeden Fall dafür gesorgt hat, dass wir uns schonmal an uns gewöhnen konnten.
Danach ging es zur Bühne und die Nervosität der Band war deutlich zu spüren. Jeder machte sein Ding um entweder sein Equipment vorzubereiten oder sich einfach nur abzulenken. Ich kann mir vorstellen, dass dies die unangenehmste Zeit sein muss. Man steht schon auf der Bühne, hat sein Equipment bereit und würde am liebsten sofort da raus gehen uns loslegen. Aber leider dauert es noch ein klein wenig. Es galt noch ein paar CD´s fürs Label zu unterschreiben und sich dann nochmal in einem Container im Backstage zu versammeln und zu fokussieren. Das Foto aus dem Container zeigt sehr gut die Stimmung und wie sich die einzelnen Bandmitglieder in der Situation ablenken.
Showtime. Jetzt passiert das faszinierendste, wenn man Musiker begleiten und beobachten kann. Die Stimmung kurz vor dem Auftritt fühlt sich an, wie ein aufziehendes Gewitter. Das Rumoren liegt in der Luft, man meint die ersten Tropfen zu spüren und dann… ja dann fällt einfach alle Anspannung und Nervosität und weicht purer Freude dort auf der Bühne zu stehen. Alles ist so natürlich und für die Bands DAS Ding was sie machen, warum sie eigentlich da sind, wo sie sind. Es muss wundervoll sein.
Für mich selbst ist es ähnlich aber doch eher nüchtern. Ich fahre ein Programm ab, welches mich von der Bühne in den Graben, von dort ins Publikum und/oder an den FOH bringt. Wieder auf die Bühne, wieder runter und so weiter.. Gerade wenn mir die Band unbekannt ist und ich das Bühnenprogramm nicht kenne, ist es spannend und auch einfach Glück, wenn man dann doch zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.
Nach dem Auftritt ist es wie nach einem schweren Gewitter. Die Last ist abgefallen, die Stimmung gelöst und freudig. Das lag natürlich auch daran, dass es während dem Auftritt keine Probleme gab.
Für die Band war nun aber noch kein Feierabend. Es ging mit einem Shuttle zu einem kleinen Showcase bei einem der Sponsoren. Eine kleine Bühne und und nur mit akustischen Instrumente wurden ein paar Songs gespielt. Inklusive eines sehr schönen „Purple Rain“ Covers. Da die Bühne extrem klein war, hab ich dort auch nichts von eben dieser fotografiert, sondern mich auf die Perspektive der Besucher beschränkt. Nach dem Auftritt gab es noch ein kleines Meet & Greet mit ein paar Fans auf dem Balkon des Sponsors.
Technisch gesehen habe ich bei dem Job mit relativ kleinem Setup gearbeitet. Zwei Kameras, ein 16-35mm Weitwinkel, DER Allrounder 70-200 und für die Einzelportraits und Backstage ein 85mm.
So viel Zeit mit einer Band zu verbringen, ohne das man sich vorher kannte, bedarf viel Vertrauen. Und ich bin froh, dass mir das Label vertraut hat. Für die Band muss es auch komisch gewesen sein von einer völlig fremden Person in den band-intimsten Momenten begleitet zu werden. Mein Respekt geht da definitiv an die Band.
Am späten Nachmittag war der Job für mich dann beendet. Ich ging zurück in den Pressebereich um die Fotos zu sichern und dann meinem normalen Alltag auf einem Festival nachzugehen. Nach nur einem Gig kam dann aber alles anders. Das Festival musste wegen eines möglichen Terrorverdachts unterbrochen werden. Mehr dazu könnt ihr in meiner Rock am Ring Historie lesen.
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